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MANRICO’S PARADISE

Editorial  

Eben erst in Lissabon gelandet, erreichen wir unser Ziel bereits nach einer Stunde Fahrt in südlicher Richtung. Comporta, ein ruhiger Küstenort am Atlantik, ist immer noch stark geprägt von der Landwirtschaft, insbesondere dem Reisanbau. Das bezaubernde Anwesen von Manrico Iachia liegt etwas abseits, versteckt zwischen Dünen, Meer und Reisfeldern. Mit Eingabe des richtigen Codes (es handelt sich um eine Ferrari-Modellzeichnung) öffnet sich das Tor zum Areal – und damit zu einer ungeahnten Welt: strohbedeckte Strandhütten, wie sie die Fischer und Reisbauer schon vor vielen Jahrzehnten bewohnten, und freistehende Gebäude mit Fassaden aus geflochtenem Schilf und palmengedeckten Giebeldächern. Traditionelle lokale Architektur, die ihren Charme erhalten konnte und über die Jahre zu einem regelrechten Wohnparadies entwickelt wurde.

Auch im Inneren der Cabanas ist alles minimalistisch gehalten, dennoch wurde mit viel Finesse und Liebe zum Detail dekoriert. Die gewebten Teppiche stammen aus Marokko, die Holzmöbel und Textilien aus Bali und Peru. Eine unbeschreibliche Mischung aus ländlich und kosmopolitisch, aus lokal und international. Diese Art der Ästhetik, auch als Comporta-Stil bekannt, wurde von Manricos Ehefrau Vera entwickelt. Vera stammt aus dem Espírito Santo Clan, einer der mächtigsten Bankendynastien Portugals, und hat das Grundstück zusammen mit Manrico vor 35 Jahren erworben.

Das Gebiet wurde im Laufe der Revolutionsjahre und der Herrschaft der Kommunisten heruntergewirtschaftet. Anschliessend befand sich das 58 Quadratmeilen grosse, aus Wäldern, Reisfeldern und Ackerland bestehende Anwesen der Herdade da Comporta im Privatbesitz und wurde hauptsächlich zur Entenjagd genutzt. Manricos persönliche Geschichte lässt uns nachspüren, wie der einst verwahrlose Ort seine magische Wirkung auf zauberhafte Weise entfalten konnte. Gleichzeitig hinterfragt sie, was Luxus heutzutage alles bedeuten kann.

ERSTE ERFOLGE IN PARIS
Manrico Iachia wurde 1952 in Bologna geboren. Bereits mit 17 Jahren verliess er sein Elternhaus und zog allein in die -Region Triest, um seinen eigenen Lebensweg zu gehen. Schon damals war er innerlich getrieben, Situationen aktiv zu beeinflussen, zu verändern und «on top» zu sein. Seine Familie war in Bologna sehr bekannt, da sie Gründungsaktien der Generali Versicherung besass und damit eine enge Verbindung zum Konzern hatte. Als sein Vater bereits im Alter von 50 Jahren verstarb, musste sich Manrico als ältester Sohn um seine Mutter und seinen jüngeren Bruder kümmern. Da die Verbindung zur Generali Versicherung bestand, Manrico aber aufgrund der grossen Bekanntheit seiner Familie nicht in Italien arbeiten wollte, entschied er sich für Frankreich. Von Paris aus wagte er den Einstieg in die Versicherungsbrache.

Dank seiner offenen Art knüpfte er in der neuen Heimat schnell Kontakte in allen Gesellschaftsschichten und baute sich ein Netzwerk auf. Und trotz seines jungen Alters traute sich Manrico, auch bekannte Persönlichkeiten anzusprechen, um sie für sich und Geschäfte mit der Generali zu gewinnen.

So lernte er auch den Bürgermeister eines Pariser Vororts kennen. Ein Anwalt, mit dessen Kanzlei er eine langfristige Zusammenarbeit initiieren konnte. Dieser Anwalt wurde später Haushaltsminister, dann Innen- und Wirtschaftsminister und zuletzt Staatspräsident der Französischen Republik – es handelte sich um Nicolas Sarkozy.

WIE EIN FISCH IM WASSER
Den nächsten Karriereschritt machte Manrico in London, wo ihn die Generali hingeschickt hatte, um die lokale Niederlassung in Schwung zu bringen. Auch in der englischen Hauptstadt konnte er erfolgreich ein Netzwerk aufbauen, bald bewegte sich Manrico in Kabinettskreisen um Margaret Thatcher. Zu dieser Zeit waren auf Londons Strassen sehr viele klassische Fahrzeuge – Bentley, Jaguar, Range Rover – unterwegs. Es war die Initialzündung für Manricos Passion für klassische Luxusfahrzeuge. Er kaufte sich secondhand einen blauen Bentley, mit dem er am Concours d’Élégance des Aston Martin Club teilnahm. In Paris wiederum besass er einen Ferrari 308, mit dem er Rennen fuhr, die der Ferrari Club de France auf legendären Strecken veranstaltete. Im Kreis der leidenschaftlichen Autoenthusiasten fühlte sich Manrico «wie ein Fisch im Wasser», wie er sagt. Die Generali war damals die drittgrösste Firma der Welt – und Manrico weiterhin auf Erfolgskurs.

CRAZY LIFE IN NEW YORK
Schon bald winkte eine neue Aufgabe. Manrico sollte für Europ Assistance, einen global tätigen Anbieter für medizinische Hilfsleistungen, die Niederlassung in Washington aufbauen. Generali war damals Hauptaktionär von Europa Assistance. Seine erste Amtshandlung: Er verlegte die Büros von Washington nach New York – in die 86. Etage des World Trade Center. Manrico war erst 32 Jahre alt und wusste, dass er einen guten und erfahren Verwaltungsrat an seiner Seite brauchte. Mit Alessandro Codero di Montezemolo konnte er einen guten Freund für diese Aufgabe gewinnen. Alessandro – ein Cousin 2. Grades von Luca di Montezemolo – und seine Frau, Catherine Bradle, waren ein prominentes Paar der New York und Southampton Society.

Dies öffnete Manrico weitere Türen und schon bald konnte er mit American Express einen sensationellen Deal abschliessen. Dieser legte den Grundstein, um medizinische Services weltweit in Versicherungspaketen anzubieten – und den Einstieg ins Kreditkartengeschäft. Werbewirksam flog der Helikopter mit der Aufschrift «Europ Assistance» und rettete überall auf der Welt Menschen. Drei Monate meldete sich auch Konkurrent VISA.

In New York führte Manrico ein äusserst schnelles und bewegtes Leben. Er arbeitete viel, schlief vor Mitternacht ein paar Stunden in seinem Appartement, anschliessend machte er sich im Smoking ins Nachtleben auf. Sein Trick war effektiv: Während die reichen Herren die schönen Damen zum Essen ausführten und irgendwann müde wurden, stand Manrico frisch und erholt im Studio 54 bereit, um die Damen zu unterhalten. So lernte er auch seine zukünftige Frau kennen, die bereits seit neun Jahren für Andy Warhol arbeitete und den damaligen Lifestyle von Kunst, Design und Vibration perfekt verkörperte. Mit Vera und Manrico prallten zwei unterschiedliche Welten aufeinander, doch schon bald entdeckte der Wirtschaftsmanager die Partywelt des genialen Andy Warhol für sich. Er tauschte Smoking gegen Jeans und fand neue Inspiration in der Kunst- und Musikszene.

LUXUS IN DER WILDNIS
Nach drei Monaten wussten Manrico und Vera, dass sie den Rest ihres Lebens zusammen verbringen wollten. Kurzerhand reisten sie nach Portugal, damit Manrico bei Veras Mutter um die Hand der Tochter anhalten konnte. Bei ihrer Ankunft erfuhren sie, dass die Mutter über das Wochenende ein grosses Fest mit zahlreichen bekannten Familien veranstaltete. Zwischen Gästen wie den Agnellis, den Pirellis und den Brandolinis fühlte sich Manrico zwar sehr wohl, doch die grosse Frage an die Schwiegermutter in spe musste er verschieben.

Die vielbeschäftigte Dame hatte allerdings erst drei Tage später wieder einen freien Termin und so fuhren Vera und Manrico nach Comporta, wo Vera ihre Jugendzeit verbracht hatte. Trotz verdeckter Landschaft und heruntergekommen Hütten waren die beiden vom Licht und der Klarheit des Himmels fasziniert. Die hügeligen weissen Dünen erstreckten sich kilometerweit, die Wellen brachen im türkisfarbenen Meer. Enrico und Vera entdeckten zwei kleine zerstörte Stroh-Cabanas und machten die Eigentümer – ein altes Ehepaar – ausfindig. Es war eine Herzensentscheidung, die beiden Cabanas für 500 Dollar zu kaufen, bevor sie wieder zurückkehrten.

Pünktlich zum vereinbarten Termin sass Enrico am Schreibtisch mit Veras Mutter, die Agenda und Stift vor sich liegen hatte. Als er sein Anliegen kundtat, war die Reaktion harsch: «Niemals!» Doch Vera, die hinter der Türe gewartet hatte, intervenierte so lange, bis die Mutter ihren Segen gab. Sechs Monate später fand die Hochzeit statt, natürlich ebenfalls in Portugal.

«WIR FLOGEN EINFACH MIT DER CESSNA UM DAS WORLD TRADE CENTER»
Zurück in New York genossen die Frischvermählten ihr aufregendes Leben. Manrico flog mit Vera in seiner Cessna den Hudson River entlang, anschliessend drehte er eine «Acht» um das World Trade Center. «Das waren unvorstellbare-Zeiten», sagt Manrico mit leuchtenden Augen. Sie haben viel gearbeitet, waren beide auf dem Höhepunkt ihrer Karrieren und sehr glücklich.

Als Andy Warhol im Februar 1987 unerwartet verstarb, war dies für Vera ein Schock und gleichzeitig die Chance, wieder nach Europa zurückzukehren. Sie verlegten ihren Lebensmittelpunkt nach Paris, wo Manrico wieder für die Generali tätig wurde. Vera wiederum trat eine Stelle als Assistentin des bekannten Innenarchitekten Jacques Grange an. Sie übernahm spannende Projekte wie die Innendekoration der Yacht von Caroline von Monaco, gleichzeitig arbeitete sie mit Manrico in Comporta an ihrem kleinem Paradies. Sie liessen den Müll mit Bulldozern wegkarren, legten mit Sand Strandwege an und erschlossen die Cabanas mit Wasser und Strom. Nach der Fertigstellung folgten Fotoshootings von Vogue und Besuche von Freunden wie Jacques Grange und Amyn Aga Khan. Alle waren überwältigt von diesem «Paradies of Simplicity», wie sie es nannten.

Nach und nach suchte Manrico nach weiteren Grundstücken für seine Freunde, auch Jacques Grange, Veras Mutter, Anselm Kiefer oder Philip Stark wollten ein eigenes Anwesen im Paradies. Vera vergrösserte derweil ihr eigenes Resort um weitere Cabanas und perfektionierte ihren Inneneinrichtungsstil. Manrico arbeitete nach wie vor sehr viel, in der Freizeit widmete er sich seinen Fahrzeugen. Von eigens aus England eingeflogenen Mechanikern, die eine Garage in der Nähe gründeten, liess er seine Classic Cars individuell und aufwendig restaurieren. In dieser Zeit fuhr Manrico auch zahlreiche Rallyes und Concours.

MANRICOS ARTEFAKT: DER SILBERNE BENTLEY
Mit seinem legendären Bentley R Type Continental mit dem Nummernschild ABC 12 ist Manrico seit 1990 unterwegs. Ursprünglich war das Fahrzeug tiefblau, doch er liess den Lack entfernen und die Leichtmetallkarosserie polieren, bis der Bentley silbern strahlte und reflektierte. Auf der Beifahrertüre sind die Rennen angegeben, an denen er mit seinem Bentley teilgenommen hat:

  • Louis Vuitton Classic China Run 1998
  • 1000 Millas Argentina 1998
  • Louis Vuitton Bagatelle 2000
  • 50th Anniversary Silverstone Louis Vuitton 2002
  • Louis Vuitton Classic Boheme 2006

Übrigens wurde genau dieser Bentley vor 23 Jahren gestohlen – nach einem Schiffstransport nach Australien war der Container plötzlich leer. Die Aufregung war gross, doch trotz zahlreicher Abklärungen und Telefonaten blieb das Fahrzeug vorerst verschollen. Erst ein Jahr später meldete sich unverhofft ein anonymer Anrufer, der wusste, wo das Fahrzeug zu finden war. Seither befindet sich das Prachtexemplar wieder in Manricos Sammlung in Comporta. Eigens für seine Autoleidenschaft hat er in der Nähe seines Anwesens eine Halle errichten lassen, in der nicht nur ein Teil seiner Classic Car, Motor- und Rennräder stehen, sondern auch unzählige Erinnerungen. Fotos und verschiedenste Accessoires, die einen eindrucksvollen Streifzug durch sein bewegtes Leben ermöglichen.

HÖHE- UND WENDEPUNKT
Nach sieben Jahren Pendeln zwischen Frankreich und Portugal ergab sich die Gelegenheit, in Portugal eine Niederlassung der Europ Assistance zu gründen. Dank der Zusammenarbeit mit Espírito Santo wuchs der Standort schnell und diente schon bald als Sprungbrett nach Brasilien. Es folgten neue Standorte in Argentinien und Chile, die Manrico aufgebaut und geleitet hat. Mit dem Sitz im Verwaltungsrat der Generali Holding in Paris übernahm er zusätzlich Verantwortung für die Region Asien. Als Präsident und CEO von Portugal, South America und Asia arbeitete er rund um die Uhr und umrundete die Welt fünf Mal pro Jahr.

Auch privat war viel passiert. Manrico war Vater von zwei Töchtern und einem Sohn, die Strandhütten in Comporta waren zu diesem aussergewöhnlichen Resort geworden und auch seine klassische Fahrzeugsammlung machte ihm grosse Freude. Der Wendepunkt kam, als Vera krank wurde und verstarb. Manrico beendete seine Karriere und kümmerte sich fortan um seine Kinder. Die grosse Trauer nach Veras Tod, die Manrico und die Kinder verspürten, habe sein Leben komplett verändert, so Manrico. Heute lebt er zwischen Comporta, Lissabon und Gstaad, wo er sich um die Weiterentwicklung des Gstaad Yacht Club kümmert.

Bei unserem Besuch in Comporta durften wir in Manricos Welt eintauchen und einen aussergewöhnlichen Businessman, Kosmopoliten und gleichermassen herzlichen Gastgeber kennenlernen. Immer getrieben von überdurchschnittlicher Qualität und Leistung – und jederzeit die Fäden in der Hand. Estote parati!