Pure emotion around heritage, craftsmanship and innovation.
MENU
News

The Drummer
at the Gates
of Le Mans

Editorial  

Jede Rockband braucht ihren Ruhepol. Im Fall der bombastischen, experimentellen, visionären und vor allem intellektuellen Rockband Pink Floyd war es Schlagzeuger Nick Mason. Doch selbst der Ruhigste will hier und da rocken – am liebsten laut, wild und mit historischen Schätzen auf der Rennstrecke.

Macher von Musikmagazinen sind auf der ganzen Welt eine sehr spezielle Spezies. Sie neigen exzessiv dazu, Musik in Listen zu legen. Nick Hornbys mit John Cusack in der Hauptrolle verfilmtes Buch «High Fidelity» übertreibt hier keineswegs. Auf eines ist jedenfalls seit Jahrzehnten der Best-of-Listen Verlass: Pink Floyds siebtes Studioalbum «Wish You Were Here» aus dem Jahr 1975 landet garantiert unter den Top-100 der «All Time Greats» – und wird in der Nachbesprechung doch leise verrissen. Der Grund ist banal: Es ist schlicht zu erfolgreich, und so etwas kann der Listen-Schreiber von Welt, der den kompletten Kanon der Popmusik im kleinen Finger hat, nur sehr schwer verzeihen. Dabei übersieht er viel: Die Komplexität des vier Schichten dicken Covers der Original-LP, angeführt vom ikonischen Foto des Storm Thorgerson mit dem Shakehands eines brennenden Mannes. Oder Kleinode, die ihre Magie erst später entfalten sollten wie das bedrückende «Welcome to the Machine». Doch was kümmert den Baum, wenn ihn die Hunde anbellen: Bei 20 Millionen verkauften Tonträgern blieb den Band-Mitgliedern in der guten Zeit des Musikbusiness durchaus etwas zum Leben übrig.

BAND MIT ANSPRUCH
Für alle, die die Band-Historie von Pink Floyd nicht sofort parat haben: Im Wesentlichen muss man sich vier Menschen merken. Zuerst Syd Barrett, erster Sänger und Gitarrist. Genial, aber leides früh out durch zu viele Drogen. Dann David Gilmour und Roger Waters, zwei Streithähne an Mikro und Saiten, deren Konkurrenz um den Nummer-Eins-Status nach Barretts Abgang das Schaffen der Band jahrelang befruchtete und sie zuletzt bitter spaltete. Schließlich Nick Mason, der Mann hinter der Schießbude, der den Rhythmus vorgab und sich ansonsten ruhig verhielt. Was Charlie Watts den Rolling Stones war, war Mason Pink Floyd. Man schätzte einander, selbst wenn die Stones stets Wert auf ihre quasi-proletarischen Wurzeln legten, Pink Floyd jedoch den Geruch von Architektur- und Kunst-Universität nie ablegten, aus deren Umfeld sie kamen.

DIE SAMMLUNG WÄCHST
Nach dem epochalen Erfolg von «Wish you were here» beschloss Nick Mason, einen Teil der Tantiemen klug in Unfug anzulegen. Er, Sohn eines Dokumentar-Filmers und selbst Architekturstudent, hatte stets einen soft spot für schöne Autos gehabt. Nun war es Zeit, die atemberaubende Summe von 37.000 Pfund Sterling in einen Ferrari 250 GTO aus den frühen 1960er-Jahren zu investieren. Umgerechnet entsprach das dem Gegenwert von drei Porsche 928, der in diesem Jahr präsentiert worden war. Wer würde drei Porsches für einen alten Ferrari stehenlassen? Nick Mason hieß der Mann, und an den Neuwagen vorbeizugehen war finanziell vermutlich die beste Entscheidung seines Lebens. 2018 wurde ein Ferrari 250 GTO für 48,5 Millionen Dollar versteigert. Das entspricht dem Gegenwert von 250 gut ausgestatteten Porsche Panamera.

Aber vermutlich würde Nick Mason die auch nicht wollen. Seine Garage ist ohnehin gut gefüllt, vor allem mit Rennwagen. Wenn er will, kann er morgens mit einem Ferrari F40 ins Tonstudio fahren, einem ultrararen McLaren F1 GTR aus dem Vorbesitz von Ex-McLaren-Gründer Ron Dennis oder diversen Maserati, Bugatti oder Jaguar. 

RACER AT HEART
Nick Mason war nicht nur am Drum-Set ein motorisches Genie, er war es auch im Rennwagen. Von 1979 bis 1984 stand er jedes Jahr bei den 24 Stunden von Le Mans am Start und spielte währenddessen die legendären Alben «The Wall» und «The Final Cut» ein. Mehr als die Ergebnisse (zwei Ausfälle, eine Disqualifikation, Platz 18 als bestes Ergebnis in der Wertung) sagen die wilden, gefährlichen, schlicht legendären Autos, mit denen der inzwischen zum Ritter geschlagene Mason am Start war: Porsche 956, BMW M1, Prototypen von March und Lola. Die Saat hatte einst sein Vater Bill gesät, der 1952 eine Doku über das legendäre Rennen an der Sarthe gedreht hatte. «Seit ich ein Schulbub war, wollte ich in Le Mans starten», sagte der spätere Schwiegervater des Rennfahrers Marino Franchitti. Um nach seinem ersten Start durchzuschnaufen: «Ich hatte nicht erwartet, dass ich den Atlantik in einem Ruderboot überqueren müsste. Aber das war es.» Pink Floyd lösten sich 2015 auf. Mason hat nach wie vor Freude an seinen alten Autos. 2017, im Alter von 73 Jahren, stopfte er seinen drei Millionen Pfund teuren McLaren F1 GTR, einen von neun des Jahrgangs 1996, Chassis 10R, in Goodwood in die Leitschienen. Die gute Nachricht: Die Pretiose war reparabel. Seither ist sie der Ruhepol in Masons Halle in Südengland.