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In Schönheit
leben

Editorial  

Dass Maserati die 109 Jahren seit Gründung überlebt hat und nicht irgendwann in Schönheit gestorben ist, grenzt an ein Wunder — und liegt an den elektrisierenden Aura der Granturismos, die man seit 75 Jahren baut.

Man weiss gar nicht zu sagen, was der Tiefpunkt in der Geschichte jener Marke war, die ausgerechnet im Kriegsjahr 1914 in Bologna von fünf Brüdern gegründet worden war. Der frühe Tod des Ältesten, Carlo, mit nicht einmal 30 Jahren? Der ebenfalls zu frühe Tod der treibenden Kraft, Alfieri, mit 45 Jahren, der die drei verbliebenen Brüder Bindo, Ernesto und Ettore in die Arme des Industriellen Adolfo Orsi trieb? Der erste Beinahe-Konkurs, der in einer Übernahme durch Citroën endete und in der kapriziösen Limousine SM gipfelte, deren Kürzel Mechaniker als Sado-Maso deuteten, weil die Technik so kompliziert war? Oder der zweite Beinahe-Konkurs, als der italienische Staat Maserati auffing und ihn zum symbolischen Preis einer Tankfüllung nach heutigen Preisen an den argentinischen Entrepreneur Alejandro de Tomaso verscherbelte, nur damit die Arbeiter nicht auf der Strasse endeten? Die mehr als nur windige Qualität der Autos in der de-Tomaso-Ära, als die Biturbo-Modelle nicht nur rosteten und defekt wurden sondern bisweilen spektakulär abfackelten? Und was hätten die Gebrüder Maserati wohl dazu gesagt, dass sich schliesslich ausgerechnet der ewige Konkurrent ihrer Tage, nämlich niemand geringerer als Nachbar Ferrari zum Retter der Marke hochschwang? Wenn jetzt also ein neuer Maserati GranTurismo präsentiert wird und gleich eine ganze Strategie, ein Modellfahrplan bis zum Ende des Jahrzehnts, wenn also die Marke mit dem Dreizack im Logo endlich so scheint es in ruhige Fahrwasser kommt, dann ist es Zeit, sich zurückzulehnen und sich die alles entscheidende Frage zu stellen: Wie zum Teufel konnte die Marke das permanente Schrammen am Ende überleben? Warum gab es immer wieder Menschen, die an die Strahlkraft Maseratis glaubten und die Geschichte ein Stück weiter schrieben? Die Antwort liegt auf der Strasse: Es waren die Autos, schlicht und einfach. Wer einen Maserati betrachtete, vielleicht fuhr oder sogar besass wusste, dass eine Welt ohne die eleganten Grantourismo aus Modena ein grosses Stück ärmer sein würde.

Eigentlich als Rennwagen-Schmiede gegründet – und darin durchaus erfolgreich – sollten es Strassenwagen sein, die den Mythos der Marke ausmachen und sie durch stürmische Jahrzehnte getragen haben. Es begann mit dem A6 1500, vermarktet als Maserati 1500 GT. Die Idee war so einfach wie die Technik der Nachkriegswirtschaft: Mit machbaren Mitteln einen Sportwagen auf die Räder zu stellen mit all dem Wissen, das man im Rennsport erworben hatte. Das Besondere war die Karosserie, die von Pininfarina gezeichnet wurde, einem jungen italienischen Designstudio, dessen Stern gerade aufging. Man muss sich die Produktion des 1947 vorgestellten A6 deutlich anders vorstellen als man es von heutigen Produktionsstätten kennt: Soeben von Bologna nach Modena übersiedelt war alles bei Maserati Handarbeit, und wenn jemand unterwegs eine bessere Idee hatte, floss sie kurzerhand in die künftigen Wagen ein. In Summe entstanden vom A6 nur rund 60 Fahrzeuge, doch schon dieser erste WuDrf deutete an, wofür man berühmt werden sollte: schön gezeichnete schnelle Autos für die komfortable Reise, ausgeführt von Spezialisten und exklusiv bepreist.

Der A6 war der erste und zugleich letzte Maserati, an dem die Fratelli Maserati noch persönlich beteiligt waren. Kurz nach der Präsentation am Genfer Automobilsalon verkündeten die Brüder, sich mit einer Konkurrenzfirma (O.S.C.A.) selbständig zu machen und sich wieder auf den Rennsport zu fokussieren. Die Automobil-Marke verbleib in den Händen von Adolfo und Omer Orsi, unter deren Ägide in den kommenden Jahrzehnten automobile Ikonen entstehen sollten.

Dazu wandte man sich von der Handarbeit der Fratelli-­Maserati-Ära ab und vollzog den Sprung zur Serien-Produktion. Schon der erste breiter verfügbare Maserati, der 3500 GT, wurde zum durchschlagenden Erfolg. Das Konzept war vom Rennsport jener Tage beeinflusst. Statt auf einer selbsttragenden Karosserie baute der 3500 GT auf einen Längsträger-Rohrrahmen, in dem ein nur dürftig gezähmter Rennmotor steckte. Und jetzt der Clou: Die Aussenhaut aus Aluminium kam dabei von den führenden Karosseuren des Landes, hochspezialisierten Künstler-Fabriken, die Blech in Form brachten wie Bildhauer. Der Großteil der 3500 GT stammte von der Carozzeria Touring, aber auch Allemano, Vignale oder Bertone lieferten Aufbauten. Welch köstliche Zeit, als die Schönen und Reichen der Welt ihren Geschmack von Blech-Michelangelos wie Giovanni Michelotti oder Pietro Frua in Form bringen liessen, und unter dem Kleid steckte das Beste der damaligen Renn-Technik! Mehr noch als für den 3500 gilt dieser Satz für den bis zu 340 PS starken 5000 GT.

Auslöser dafür war der später als unfreiwilliger Begründer des Deutschen Herbst in die Geschichte eingegangenen Schah von Persien. Der war nicht nur Diktator und deklariertes Feindbild der europäischen Linken, er war auch ein Auto-Besessener. Seine Handvoll Maserati 3500 GT mit ihren Sechszylinder-Motoren waren ihm nicht stark genug, und so verlangte er den Achtzylinder aus dem Rennwagen 450S in ein GT-Chassis zu verpflanzen. Die Aussenhaut kam wieder von der Carozzeria Touring, und das Ergebnis gelang dermassen überzeugend, dass es nicht beim Einzelstück bleib sondern in Summe 34 Wagen entstanden, die von nicht weniger als acht Karosseuren jeweils unterschiedlich eingekleidet wurden. Heutiger Marktwert des 5000 GT: Knapp an der Millionengrenze.

Die Frage, ob man sich einen Ferrari, Lamborghini oder doch lieber einen Maserati leisten sollte, wurde in den 1960er Jahren immer wieder neu gestellt. Ab 1963 mit der Präsentation des Mistral leistete sich Maserati erstmals den Luxus echter Namen für seine Automobile. Vertraute Ferrari dabei auf den Mythos Amerika (Daytona, Superamerica California) und Lamborghini auf Kampfstiere (Miura, Islero, Espada), rief Maserati die Winde an: Der Mistral weht in Frankreich, der Ghibli in der Sahara, die Bora an der Adria, der Khamsin in Nordafrika und der Shamal im Persischen Golf.

Das ikonischste Modell ist dabei der 1966 vorgestellte Ghibli, dessen Design über Jahrzehnte die Linie vorgeben sollte, wie ein begehrenswerter Sportwagen auszusehen hat: Lange Schnauze, breite Backen, schräg abfallendes Heck. Der Ghibli war das Meisterstück des jungen Giorgetto Giugiaro, der in den kommenden Jahrzehnten nicht nur sieben weitere Maserati designen sollte sondern auch so prägende Fahrzeuge wie den ersten VW Golf, Fiat Panda oder Ford Mustang. Ende der 1960er Jahre stand den Eigentümern das Wasser dennoch bis zum Hals, was auch an den weniger erfolgreichen Modellen, fehlendem Innovations-Kapital, daraus resultierender altertümliche Technik und schwindenden Verkaufszahlen resultierte. So kam der französische Hersteller Citroën als Haupteigentümer an Bord.

Aus dieser Ära ragt der Ghibli-Nachfolger Khamsin heraus, einer der schönsten und stimmigsten Entwürfe der Firmengeschichte. Leichter und weniger machohaft als der Ghibli, keilförmig aber dennoch elegant und mit allen Zutaten, die automobile Träume in den 1970er Jahren beinhalteten: V8-Motor, Klappscheinwerfer, Campagnolo-Alufelgen, vier Auspuffrohre und Leder-Sportsitze. Und hurra, Revolution: Anstelle der antiken Starrachse mit Blattfedern wie noch der Ghibli hatte der Khamsin erstmals eine richtige Einzelradaufhängung!

Star-Tenor Luciano Pavarotti fuhr Maserati, Frank Sinatra oder Henry Ford. Man musste sich einen leisten können und wollen – letzteres vor allem wegen stets kapriziösen Technik. Das stimmte umso mehr in der de-Tomaso-Ära, und weil es den Autos deutlich an jener Grandezza mangelte, die sie bislang so ausgezeichnet hatte war das Tal der Tränen in den 1980er Jahren lang, hässlich und karg. Man sagt, dass die analoge Uhr im Cockpit das Einzige war, das bei den Biturbo-Maseratis einigermassen verlässlich funktionierte. Nach dem Schlaganfall Alejandro de Tomasos im Jahr 1993 erbarmte sich Fiat der Marke und überschrieb sie vier Jahre später ausgerechnet der Konzernschwester Ferrari, der historischen Gegnerin im Kampf um Bestzeiten und Luxus-Klientel von Anfang an. Man hätte nicht ahnen können, dass sich ausgerechnet dort Liebende finden würden, die den Dreizack mit starken Armen und noch stärkeren Ideen aufheben und in eine grosse Zukunft tragen würden.

Im ersten Schritt stellte Ferrari die Produktion ruhend und die Fabrik technisch von der Vergangenheit auf die Zukunft um. Schon mit dem ersten neuen Modell zeigte man, wohin die Reise gehen sollte und bemühte damit einen verdienten Mann der Marke: Kein anderer als Giorgio Giugiaro zeichnete den 3200 GT. Markantestes Detail des Coupés: die Bumerang-Rückleuchten mit damals neuen Dioden anstelle von Glühbirnen. Der 3200 GT entflammte ab der Sekunde seiner Präsentation endlich wieder die Herzen der Liebenden. Aus der alten Zeit hatte man nur die Biturbo-Motoren übernommen, doch auch die flogen beim Nachfolger, das schlicht Maserati Coupé hieß, raus und wurden durch ein Ferrari-Aggregat ersetzt. Seit 2007 wird der Sportwagen von Maserati als benannt, was er ist: GranTourismo. Das ist nur stimmig, heisst der die seit 1963 mit Unterbrechungen gebaute Luxus-Limousine doch Quattroporte, schlicht Viertürer also. Sowas funktioniert bloss mit der italienischen Sprache! 12 Jahre lang wurde die erste Serie des GranTourismo gebaut, und wie in den Heydays der 1960er und 1970er Jahre fuhr die Elite darauf ab: Ob Cameron Diaz oder Lionel Messi, ob Britney Spears oder Rapper 50 Cent, wo der Dreizack drauf ist, war endlich wieder oben. Mit dem Ende 2022 vorgestellten Nachfolger geht die Firma, die mittlerweile Teil des Stellantis-Konzerns ist, weiter in die Zukunft. Nun gibt es nicht nur zwei Benzin-Motorisierungen zur Auswahl, sondern erstmals auch eine mit Elektro-Antrieb. Und ganz wie es der Tradition entspricht knüpft man an die Renn-DNA des Urahns A6 an: Der state-of-the-art Antrieb mit 800-Volt-Technologie leitet sich direkt aus der Formel E ab. Renntechnik in schönem Kleid, ein Erfolgsrezept.