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KLAUS BUSSE

Editorial  
Klaus Busse, Chefdesigner von Maserati im Interview mit B.I. Collection, Februar 2023

B.I. Collection (BIC): Verspüren Sie eigentlich Druck?

Klaus Busse (KB): Natürlich ist es aufregend, Chefdesigner einer Marke wie Maserati zu werden. Doch du musst auch liefern und das bedeutet, dass ich mich vor nun rund sieben Jahren intensiv mit italienischem Automobildesign und der italienischen Ästhetik und Kultur ganz allgemein auseinandergesetzt habe. 

BIC: Fiel Ihnen das als Deutscher, der unter anderem zehn Jahre bei Daimler war, schwer?

KB: Es gibt ein paar ganz grundsätzliche Unterschiede. Der deutlichste Unterschied ist für mich, dass deutsches Automobildesign vor allem ein evolutionäres Design ist, das heisst, die Form wird für den Kunden nachvollziehbar weiterentwickelt. Italienisches Automobildesign funktioniert anders. Es gestaltet aus den heute gegebenen Umständen das bestmögliche Design. Das bietet einerseits fantastische Möglichkeiten, andererseits liegt darin immer auch eine Gefahr, den Kunden zu verlieren, weil er der Story nicht mehr folgen kann. 

BIC: So gesehen bringen Sie idealerweise das Beste aus zwei Designwelten zusammen?

KB: Idealerweise, ja. 

BIC: Gelingt das immer?

KB: Ich finde, wir haben es gerade beim MC20 in einer Konsequenz und dann auch für den MC20 Cielo auf eine tolle Art und Weise hinbekommen. Das sage ich natürlich als Chefdesigner mit einer gewissen Subjektivität, aber auch mit all meiner professionellen Kompetenz. Dieses Auto ist eine emotionale Skulptur, die etwas in die Gegenwart übersetzt, das einst mit Rennsportwagen wie dem legendären Maserati A6GCS unseren Markenkern definiert hat. 

BIC: Der MC20 war ein völlig neues Projekt. Sie durften mit einem weissen Blatt Papier beginnen. Geben Sie hier als Chefdesigner eine Richtung vor und sagen Sie, da wollen wir hin? 

KB: Nein. Es war so, dass wir zunächst mal fast philosophische Gespräche geführt haben, darüber, was unsere Marke ausmacht, wo wir herkommen, wie wir uns entwickelt haben, und wo wir hin wollen? Ich habe hier also nicht eine Richtung vorgegeben, sondern zunächst geschaut, wer unsere Gedanken in welcher Form übersetzt. Von da haben wir dann mehr und mehr eine konkrete Richtung abgeleitet. 

BIC: Wie viel «Schönheit» verträgt ein Maserati? Gerade die legendären Modelle der 1980er leben doch sehr von ihrem rauen Charme…

KB: In der Tat, in den 1980er-Jahren war vieles ein wenig «brutalistischer». Wenn man dann in der Zeitachse noch weiter zurückgeht, findet man in den 1970er-Jahren eine Art «italienischen Dandy» – die Spielekonsole — und dann in den 1950er-Jahren, mit dem 3500GT, auch etwas mehr Eleganz. Es ist sozusagen ein «Generationendesign». Vielleicht kann man es mit der Rockband Queen vergleichen, die ja auch nicht nur einen Stil hat, sondern je nach Generation einen anderen Ausdruck in der Musik gefunden hat.

Schönheit ist für uns bei Maserati sehr wichtig, aber Schönheit und Design sind nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist die Innovation, also das, was das Fahrzeug kann. Das, was unser Ingenieursteam in Modena erschafft. Wir haben auch mit Elektrofahrzeugen ein ingenieurstechnisches Meisterwerk geschaffen. Meine Aufgabe und die meines Teams ist es dann, diesem Meisterwerk ein schönes Kleid zu geben.

BIC: Wie würden Sie einem Kind, das noch nie von Maserati gehört hat, beschreiben, wofür die Marke steht? Und woran würde es einen Maserati auf der Strasse dann erkennen?

KB: Es könnte schwierig sein, es einem Kind zu erklären, aber für mich ist es wichtig, dass Maserati die Idee des GranTurismo verkörpert, also den Traum von einer weiten Reise mit Komfort und Performance. Wir verbinden diese beiden Elemente wie keine andere Marke zum Thema GranTurismo. Unser markendefinierendes Fahrzeug, der Maserati GranTurismo, mittlerweile in der 2. Generation, hat seinen Namen genau von dieser Idee. Wenn es darum geht, wie man einen Maserati erkennt, würde ich ihn als rollende Skulptur bezeichnen. Ich bin daher auch sehr positiv gegenüber dem Elektroantrieb gestimmt, weil er zudem leise ist. In Zukunft wird man also einen Maserati als wunderschöne, leise rollende Skulptur in die Stadt fahren sehen, die sich nicht schon fünf Minuten vorher durch das Geräusch ankündigt. Maseratis werden auch bewusst ohne unnötige Flügel, Lufteinlässe oder Luftaustritte designt.

BIC: Sie sagen, Sie hätten sich viel mit italienischer Ästhetik und Kultur auseinandergesetzt. Können Sie uns sagen, wie viel Verdi, Michelangelo oder Botticelli im Cielo stecken und woran wir sie erkennen?

KB: Ganz klar, Leonardo da Vinci. Denn für da Vinci war Kunst ein Nebenprodukt von Innovation. Mein Team und ich sprechen gerne von «when science creates art», also wenn Wissenschaft Kunst kreiert. Es gibt ein paar schöne Beispiele im Design des MC20, wo wir technisch bedingt Kühlschlitze an der Motorabdeckung machen mussten, obwohl wir sie eigentlich nicht machen wollten. Diese Kühlschlitze in Form eines Dreizacks sind mittlerweile zu dem am meisten fotografierten Element des Fahrzeugs geworden. Das ist aus meiner Sicht ein wunderschönes Beispiel, wo aus der technischen Notwendigkeit heraus etwas geschaffen wurde, das zu einem ikonischen Element wurde.

BIC: Am Ende aber stehen Sie auf der Bühne und präsentieren der Welt das neue Produkt. Funktioniert die Identifikation einer Automobilmarke in einer Welt der Ich-Marken heute nur noch über Typen?

KB: Interessante Frage. Wobei ich mich damit schwertue. Wir kennen dieses Phänomen aus der -Fashion-Industrie, wo der kreative Chef ein ganzes Studio an fleißigen Designern hinter sich hat, die -seine Kollektionen entwickeln, der Chef kommt dann hin und wieder dazu, hebt oder senkt den Daumen und kassiert am Ende die Lorbeeren. Bei Maserati glauben wir an die Kraft der Zusammenarbeit und das Teilen von Ideen. Ich arbeite mit einem grossartigen Team zusammen, hochprofessionell und ein jeder bringt hier einzigartige Fähigkeiten mit ein, die jedes Ziel, das wir erreichen, zu einem Teamerfolg machen. 

BIC: Doch das ist kein reines Phänomen der Fashion–Industrie.

KB: Das stimmt. Im Grunde gab es das ja auch schon seiner Zeit bei den großen italienischen Automobildesignern. Sie alle waren charismatische Typen, die für ein bestimmtes Design standen, die aber längst nicht alles selbst gezeichnet haben. Automobildesign ist ein Teamsport. Anders geht das nicht. Und es ist so, dass gerade Designer oftmals Biografien haben, die weit mehr ‘Rockstar’ schreien, als meine eigene.

BIC: Können Sie hier ein paar Beispiele nennen?

KB: Das möchte ich lieber nicht. Die Kollegen möchten vielleicht noch Karriere machen (lacht).

BIC: Schade.

KB: Warten Sie. Eine Anekdote kann ich erzählen. Sie handelt von einem meiner ehemaligen Designer. Er ist mittlerweile im Ruhestand und hat somit nichts mehr zu verlieren.

BIC: Jetzt sind wir neugierig.

KB: Er war tatsächlich in einer Rockband, aber das ist schon sehr lange her. Solange, dass Deep Purple noch als Vorband bei ihm gespielt hat. Sie hingen damals natürlich auch in den entsprechenden Bars und Clubs rum und in einer war es Usus, dass man sein eigenes Bier mitbrachte, weil die Getränke irgendwann ausgingen und wer dann noch was trinken wollte, musste schon sein eigenes Bier mitbringen. Hatte mein ehemaliger Designer natürlich gemacht und so lehnte er laut Erzählung an der Bar und trank genüsslich sein selbstmitgebrachtes Bier, als ein Typ auf ihn zukam und sein Bier wollte. Er antworte standesgemäss mit «Verpiss dich!»

BIC: Und dann kam es zur Schlägerei?

KB: Nein. Der Typ ging einfach weg.

BIC: Und wo ist da die Pointe?

KB: Der Typ hiess Ozzy Osbourne. Einer meiner ehemaligen Designer hat einen um Bier schnorrenden Ozzy Osbourne weggeschickt (lacht laut auf)! Wie soll ich mich da heute auf die Bühne stellen und den Design-Rockstar geben?